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Alexander Geimer

Cultural Studies und Geschlecht

Von besonderer Bedeutung für die Thematisierung von Geschlecht in den Cultural Studies sind die Arbeiten von Rubin (1975) und Mulvey (1975), die in verschiedener Form auf marxistische, ethnologische und psychoanalytische Ansätze zurückgreifen. Im Unterschied zu mikrosoziologischen Studien im Bereich des Doing Gender gemäß der Ethnomethodologie sind es nun makrosoziale Wissensstrukturen und kollektive Praktiken, die über die Erziehung (familiäre Weitergabe des kulturellen Penis bei Rubin) oder den Film (Subjektpositionen des männlichen Blicks bei Mulvey) die Geschlechterunterscheidung und damit einhergehende Ungleichheiten reproduzieren. [1]

Geschlecht spielte in den frühen Versionen der Cultural Studies (etwa in der Birmingham School, also dem Gründungszentrum der Cultural Studies) keine oder eine abseitige Rolle (vgl. Klaus, 2006), stattdessen wurden vor allem Varianten und neue Möglichkeiten des Marxismus (etwa in Anschluss an Althusser oder Gramsci) diskutiert. Schon bald jedoch wurde die Produktivität feministischer Positionen für die Cultural Studies evident, verdeutlichten sie doch, dass nicht nur klassenspezifische Ungleichheiten die Alltagspraxis prägten bzw. dass viele Ungleichheiten eben nicht klassentheoretisch zu fassen sind (vgl. Franklin, Lury & Stacey, 1991). [2]

In den Arbeiten aus dem engeren Umfeld der Cultural Studies wurde insbesondere die Rezeption von Medien als möglicher Ausgangspunkt zur Transformation bestehender Ungleichheiten angesehen. So können etwa Liebesromane alltägliche Fluchten aus der hegemonialen Ordnung des Familienlebens erlauben, und zugleich kann den Leser_innen die Notwendigkeit zur eigenen, alltäglichen Flucht bewusst werden, indem ihnen die psychischen Kosten, die mit der alleinigen (oder Haupt-) Verantwortung für den emotionalen Zusammenhalt in der Familie einhergehen, vor Augen treten (vgl. Radway, 1983). McRobbie (1993) sah in dem Wandel englischer Mädchenzeitschriften ein Potenzial zur Befreiung von genderbezogenen Stereotypen und die Chance, dass sich Mädchen eine eigensinnigere und selbstbewusstere Geschlechtsidentität zulegen können. Spätere Arbeiten in den Cultural Studies nahmen diesen Optimismus wieder zurück, der allerdings generell in den Cultural Studies hinsichtlich einer aktiven Aneignung von Medien teilweise noch heute vorherrscht (vgl. Geimer, 2011). McRobbie (2009) selbst sieht beispielsweise in dem populärkulturellen Feminismus, wie er in „Sex in the city“ und „Desperate Housewives“ etwa repräsentiert ist, einen Allgemeinplatz des Common Sense, der bestehende Ungleichheiten und die Tradierung von Stereotypen vielmehr verschleiert als kritisiert. [3]

 

Literatur:

Franklin, S., Lury, C. & Stacey, J. (1991). Off-Centre: Feminism and cultural studies. London: Harper Collins Academic.


Geimer, A. (2011). Das Konzept der Aneignung in der qualitativen Rezeptionsforschung. Eine wissenssoziologische Präzisierung im Anschluss an die und in Abgrenzung von den Cultural Studies. Zeitschrift für Soziologie, 40 (4), 191–207.


Klaus, E. (2006). Verschränkungen: Zum Verhältnis von Cultural Studies und Gender Studies. In A. Hepp & R. Winter (Hrsg.), Kultur, Medien, Macht. Cultural Studies und Medienanalyse (Medien, Kultur, Kommunikation, 3. Aufl., S. 201–218). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.


McRobbie, A. (1993). Shut up and dance: Youth culture and changing modes of femininity. Young, 1 (2), 13–31.


McRobbie, A. (2009). The aftermath of feminism: Gender, culture and social change (Culture, representation and identity series). Los Angeles, London: SAGE.


Mulvey, L. (1975). Visual Pleasure and Narrative Cinema. Screen, 16 (3), 6–18.


Radway, J. A. (1983). Woman Reading the Romance. The Interaction of Text and Context. Feminist Studies, 9 (1), 53–78.


Rubin, G. (1975). The Traffic in Women. Notes on the ‘Political Economy‘ of Sex. In R. R. Reiter (Hrsg.), Toward an anthropology of women (S. 157–210). New York: Monthly Review Press.


Zitationsvorschlag:

Geimer, ALexander (2013). Cultural Studies und Geschlecht. In Gender Glossar / Gender Glossary (4 Absätze). Verfügbar unter http://gender-glossar.de


Persistente URN:

urn:nbn:de:bsz:15-qucosa-219545 (Langzeitarchiv-PDF auf Qucosa-Server)

 

Dr. Alexander Geimer

  • geb. 23.06.1977

  • Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Rehabilitationswissenschaften, Pädagogik bei Beeinträchtigungen des Sehens

  • Arbeitsschwerpunkte/Forschungsinteressen: Subjektivierungs- und Bildungsforschung, Medienpädagogik und Mediensoziologie, Cultural, Gender und Disability Studies

  • alexander.geimer@hu-berlin.de, http://www.alexander-geimer.de

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