Während im Alltagsverständnis ein Paar für eine beliebige Zweiheit steht und eine Paarbeziehung für die Relationen innerhalb einer Dyade, wird in den Sozialwissenschaften in der Regel unter Paarbeziehungen ein „Strukturtypus persönlicher Beziehung zwischen Personen unterschiedlichen oder gleichen Geschlechts verstanden (...), der sich durch einen hohen Grad an Verbindlichkeit (Exklusivität) auszeichnet, ein gesteigertes Maß an Zuwendung aufweist und die Praxis sexueller Interaktion – oder zumindest deren Möglichkeit – einschließt“ (Lenz, 2009, S. 48) und von relativer Dauer ist. Als Untersuchungsgegenstand fallen Paarbeziehungen heterogen aus: mit oder ohne Kinder/n, getrennt oder zusammenlebend, mit Trauschein oder ohne, mit hetero- oder nicht heterosexueller Orientierung, mono- oder binational, sich (noch) liebend oder auch nicht (mehr). Im Vergleich zum Typus der Freundschaftsbeziehung wird der Paarbeziehung häufig eine individuelle Höchstrelevanz zugeschrieben (Lenz, 2009; Burkart, 2018). Auch gesellschaftlich lässt sich eine (heterosexuelle) Paarnormativität konstatieren: Trotz hoher Trennungsraten werden Paarbeziehungen gesellschaftlich als ‚richtige’ Lebensform vermittelt, mit der Glück und Erfolg im Privaten assoziiert werden, während andere Lebensformen als Abweichung erscheinen. [1]
Paarbeziehungen wurden in den Sozialwissenschaften lange Zeit vernachlässigt, auch wenn Georg Simmel (1858–1918) (1985 [1921/22]) schon früh diese Beziehungsform als einen genuinen und eigenständigen soziologischen Gegenstand bezeichnete. Doch erst Mitte der 1960er Jahre setzte größeres wissenschaftliches Interesse an Paarbeziehungen ein: In einer klassischen Studie arbeiteten Peter Berger (1929–2017) und Hansfried Kellner (1934–2017) (1965) heraus, dass die Ehe eine nomosbildende Funktion habe, denn in der Ehe werde von den Ehepartner_innen eine neue, gemeinsame Wirklichkeit geschaffen, die sich von den Wirklichkeiten der Einzelnen unterscheide. Auch in der deutschsprachigen Familienforschung und in englischsprachigen Forschungen zum Themenfeld marriage and the family entstand Interesse an der Ehe und an Ehepaaren und damit verbunden an Themen wie Scheidungen und Partnerwahl (Lenz, 2009). Dabei wurde die Ehe zwischen zwei Partner_innen jedoch nur als kurze und nicht näher zu untersuchende Phase betrachtet, aus der die eigentlich interessierende Familiengründung hervorgeht. Erst seit den 1990er Jahren werden Paarbeziehungen nicht mehr nur als Vorstufe zur Familiengründung betrachtet, sondern als eigener und zentraler Forschungsgegenstand der entstehenden Paarforschung. Die soziologische Paarforschung vertritt entsprechend mit Simmel (1985 [1921/22]) den Anspruch, dass Paare und Paarbeziehungen einen genuinen Forschungsgegenstand und eine „eigenständige Analyseeinheit“ (Wimbauer & Motakef, 2017a, S. 2) darstellen. Methodisch tragen paarsoziologische Studien diesem Anspruch Rechnung, indem statt primär individualzentrierte verstärkt paarzentrierte Erhebungsmethoden zum Einsatz kommen, wie Paarbefragungen (Wimbauer & Motakef, 2017a, 2017b) oder Paarbeobachtungen (Hirschauer, Hoffmann & Stange, 2015). Dabei lassen sich Darstellungen des Paares in der Interviewsituation (z. B. als Paar vor den Interviewenden oder voreinander) und gemeinsam geteilte oder nicht geteilte Sinnwelten von Paaren in situ beobachten und rekonstruieren. [2]
Nicht nur in der entstehenden Paarforschung, auch in der Geschlechterforschung erhalten Paare und Paarbeziehungen seit den 1990er Jahren vermehrt Aufmerksamkeit (vgl. auch Wimbauer & Motakef 2017a, 2017b, 2017c). Wenn auch ohne expliziten Paarbezug wurde bereits in der europäischen Frauenforschung seit den späten 1970er Jahren das Rollenverständnis des männlichen Ernährermodells umfassend kritisiert. Dieses sah eine ungleiche geschlechterdifferente Arbeitsteilung vor, beruhend auf bezahlter männlicher Erwerbsarbeit und unbezahlter weiblicher Sorgearbeit (Bock & Duden, 1977). Aufgrund von Veränderungen der Erwerbsarbeit und der Sozialpolitik, aber auch aufgrund feministischer Kritiken, verliert das männliche Ernährermodell seit den 1980er Jahren an Legitimität und geht auch in seiner Verbreitung zurück (Motakef, 2015). Die Frauenerwerbstätigkeit steigt und auch Väter wollen sich zunehmend in der Erziehung der Kinder engagieren. Einige Autor_innen konstatieren zudem einen Leitbildwandel von der romantischen Liebe (Luhmann, 1982; Tyrell, 1987) zur partnerschaftlichen Liebe (Leupold, 1983) oder der pure relationship (Giddens, 1992). Im Leitbild der romantischen Liebe stehe die wechselseitige Höchstrelevanz der Partner_innen im Zentrum sowie die Vorstellung, dass sich die Partner_innen insbesondere in ihrer Paarbeziehung verwirklichen (Lenz, 2009; Luhmann, 1982; Tyrell, 1987). Mit dem Leitbildwandel setze sich zunehmend die Erwartung durch, dass sich die Einzelnen auch in anderen Bezügen, wie der Erwerbsarbeit, verwirklichen (Wimbauer, 2012). Nach Eva Illouz (2007) stellen Liebe und Kapitalismus keine Gegensätze dar, insbesondere Konsumerwartungen hätten einen großen Einfluss auf Paarbeziehungen. [3]
Eine zentrale paar- und ungleichheitssoziologische Frage lautet, ob sich mit dem Brüchigwerden des männlichen Ernährermodells im globalen Norden tatsächlich eine Orientierung an Egalität in Paaren zeigt, und falls ja, ob Paare diese auch realisieren (u.a. Rusconi & Wimbauer, 2013). Mit diesem Fokus werden insbesondere heterosexuelle Paare und ihre geschlechterdifferente Arbeitsteilung beforscht. Nach der Familiengründung, so ein zentraler Befund, vollzieht sich in der Regel eine Retraditionalisierung (u.a. Behnke & Meuser, 2005): Männer erhöhen häufig ihre Erwerbsbeteiligungen und Frauen ihr Engagement in der Haus- und Sorgearbeit. Auch dann, wenn Frauen als Familienernährerinnen überwiegend oder alleine das Einkommen erzielen – oft ungewollt, etwa aufgrund der Arbeitslosigkeit ihrer Partner –, wandert die Haus- und Sorgearbeit zumindest in Westdeutschland nicht in männliche Verantwortung (Klenner, Menke & Pfahl, 2012). Für Cornelia Koppetsch und Sarah Speck (2015) zeigen sich dabei Milieuunterschiede: Nur in einem individualisierten Milieu von Hochqualifizierten in der Großstadt lässt sich überhaupt eine Orientierung an Egalität in Paaren vorfinden, die aber auch dort nicht realisiert wird. In einem sogenannten wertkonservativen Milieu übernehmen Männer von Famillienernährerinnen zwar Haus- und Sorgearbeiten. Dabei geht es ihnen aber nicht primär um Egalität im Geschlechterverhältnis, sie orientieren sich vielmehr am Funktionieren des Familienalltags. [4]
Obwohl das männliche Ernährermodell brüchig geworden ist, bestehen viele Ungleichheiten im Geschlechterverhältnis fort, etwa hinsichtlich der paarinternen Arbeitsteilung, der Anerkennung männlicher und weiblicher Lebensentwürfe, des Einkommens und der sozialen Absicherung. Paare und Paarbeziehungen werden dabei als wesentliche Schaltstelle der Ungleichheitsproduktion bezeichnet (Rusconi & Wimbauer, 2013; Wimbauer & Motakef, 2017a, 2017b, 2017c). Paarinterne Faktoren basieren auf den Interaktionen und Aushandlungen der Paare, ihrem im ethnomethodologischen Sinne doing couple und doing inequality. Christine Wimbauer (2012) zeigt in ihrer Studie zu Doppelkarrierepaaren, dass in den paarinternen Aushandlungen die männliche Karriere mehr Anerkennung erhält als die weibliche. Aber auch paarexterne Faktoren verstärken Ungleichheiten, wie beispielsweise sozialstaatliche Regelungen und Unternehmenspolitiken (Wimbauer, 2012). [5]
Forschungsdesiderate bestehen insbesondere mit Blick auf die Heterogenität von Paaren: Über homosexuelle Paare ist beispielsweise noch wenig bekannt (Maier, 2008). Mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland (2017) erhielten diese mehr Rechte, womit gleichzeitig Lebensformen, die nicht paarförmig organisiert sind, Ausschlüsse erfahren. Paare mit Migrationsgeschichte und/oder sogenannte binationale Paare wurden bisher ebenfalls kaum beforscht (Soom Ammann, 2011). Auch Grundlagenforschung über das Verhältnis von Paar- und anderen Nahbeziehungen besteht erst in Ansätzen, wie zu Freundschaftsbeziehungen sowie zu Lebensformen, die nicht (nur) paarförmig organisiert sind, wie etwa polyamoröse Beziehungen (Klesse, 2014) oder sogenannte Singles. [6]