Unter Arbeit werden in der Regel bezahlte Erwerbstätigkeiten verstanden. In der Frauen- und Geschlechterforschung wird hingegen von einem erweiterten Arbeitsbegriff ausgegangen, der jede Arbeit, auch unbezahlte Hausarbeit, Kindererziehung, Pflege von Hilfsbedürftigen (Alte, Kranke, Kinder, Behinderte) sowie ehrenamtliche, politische und soziale Arbeit miteinschließt (vgl. Notz, 2010). Aus dieser Perspektive gelten all jene Tätigkeiten als Arbeit, die zum gesellschaftlichen Fortbestand beitragen. Dazu gehört die produktive Arbeit, die gesellschaftlich relevante Güter und Dienstleistungen herstellt ebenso wie die reproduktive Arbeit, die sogenannte Care-Arbeit, die auf den Erhalt des menschlichen Lebens und der Arbeitskraft ausgerichtet ist. Seit den 1960er/1970er Jahren ist Arbeit ein Thema der Frauen- und Geschlechterforschung. In den Anfängen lag das Augenmerk darauf, die Besonderheiten weiblicher Lebenskontexte sowie die Erfahrungen von Frauen sichtbar zu machen, die in der bis dato androzentrisch geprägten Wissenschaft kaum erforscht worden waren. Von Beginn an war die Forschung eng verknüpft mit der Frauenbewegung, die sich politisch u. a. für die gleiche Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt engagierte (vgl. Lenz, 2008). [1]
In Westdeutschland analysierte die Sozialhistorikerin Karin Hausen (1976) den gesellschaftlichen Wandel von der ständischen zur bürgerlichen Industriegesellschaft im 19. Jahrhundert und arbeitete heraus, wie es zur Polarisierung der ‚Geschlechtscharaktere‘ kam. In der ständischen Gesellschaft arbeiteten sowohl Männer als auch Frauen, wobei sich die Tätigkeiten meist auf den Bereich der Landwirtschaft und der bäuerlichen Haus- und Familienwirtschaft bezogen. Erst mit der Entstehung von Arbeitsplätzen in den Manufakturen, Fabriken und öffentlichen Verwaltungen bildete sich die Trennung in eine private und eine öffentliche Sphäre heraus. Gleichzeitig wurde Geschlecht zum Platzanweiser in der Gesellschaft, und Rechte und Pflichten wurden, nicht wie zuvor aufgrund der sozialen Position einer Person, sondern anhand ihres Geschlechts verteilt. Die Haus- und Familienarbeit sowie die ‚liebende‘ Versorgung des Ehemanns wurden zur ‚natürlichen‘ Veranlagung von Frauen erklärt, während es als ‚natürliche‘ Wesensbestimmung des Mannes galt, sich in der Kultur, im Beruf, in den Wissenschaften und der Politik zu betätigen (Hausen, 1976, S. 367). Ute Gerhard (1978) erklärte die Abwertung und Geringschätzung vermeintlich ‚weiblicher‘ Fähigkeiten und Tätigkeitsbereiche sowie die schwache Integration von Frauen in die Sphäre des Öffentlichen mit dem Zusammenwirken von mangelnder politischer Emanzipation, kapitalistischer Wirtschaftsweise, patriarchaler Ideologie des Bürgertums und fehlender Frauenrechte. Ilona Ostner und Elisabeth Beck-Gernsheim widmeten sich der geschlechtlichen Segregation des Arbeitsmarktes und erklärten diese mit der geschlechtsspezifischen Sozialisation, die bei den Geschlechtern je spezifische Eigenschaften und Merkmale fördere. Das ‚weibliche Arbeitsvermögen‘ entspreche den Arbeitsanforderungen in typischen Frauenberufen und prädisponiere Frauen für einfache Tätigkeiten, die auf den unteren Stufen der Hierarchie angesiedelt sind (Beck-Gernsheim & Ostner, 1978; Beck-Gernsheim, 1981). [2]
Durch die international geführte ‚Hausarbeitsdebatte‘ der 1970er Jahre wurde der Arbeitsbegriff auf die Hausarbeit übertragen (Bock & Duden, 1977; Duden, 2009; Beer, 1984; vgl. zur Übersicht Baier, 2010). Gisela Bock und Barbara Duden argumentierten, dass Frauen, welche die unbezahlte Hausarbeit übernehmen, vom Staat finanziell entlohnt werden müssten, da sie die für den Produktionsprozess notwendige lebendige Arbeitskraft und deren Arbeitsvermögen hervorbringen (Bock & Duden, 1977). Die Bielefelder Diskussion zur Subsistenzproduktion Anfang der 1980er Jahre erweiterte die Forschung um eine internationale und ökologische Perspektive und verwies auf das Herrschaftsverhältnis zwischen sogenannter ‚Erster‘ und ‚Dritter Welt‘ und die Parallelen zwischen der Ausbeutung der Natur und der Ausbeutung der weiblichen Arbeitskraft (von Werlhof, Mies & Bennholdt-Thomsen, 1983). Mitte der 1980er Jahre trug der Ansatz aus Hannover dazu bei, dass nicht nur Klasse, sondern auch Geschlecht als maßgeblicher gesellschaftlicher Strukturgeber betrachtet wurde (Knapp, 1989; Becker-Schmidt, 2010; Aulenbacher, 2008). Begründet wurde dies u. a. damit, dass die Ausbeutung von Frauen nicht automatisch mit der Abschaffung der Klassengesellschaft ende. Die Organisation von Arbeit und die Geschlechterverhältnisse lassen sich demzufolge nur in ihren wechselseitigen Abhängigkeiten und Verschränkungen verstehen. Empirisch ging es den Hannoveranerinnen u. a. um die Klärung der Frage, wie Subjekte vor dem Hintergrund spezifischer Klassen- und Geschlechterverhältnisse mit den gegebenen Arbeitsbedingungen umgehen. Regina Becker-Schmidt, Uta Brandes-Erlhoff und Mechthild Rumpf (1983) zeigten anhand einer Befragung von Fabrikarbeiterinnen, die nach der Geburt ihrer Kinder wieder erwerbstätig wurden, dass das Vereinbarkeitsproblem nicht nur eine zeitliche Komponente, sondern auch die psychische Herausforderung umfasst, zwischen den verschiedenen Tätigkeiten zu wechseln und deren gesellschaftlich ungleiche Wertschätzung aushalten zu müssen. Becker-Schmidt (1987, 2010) entwickelte aus diesen Erkenntnissen das Theorem der doppelten Vergesellschaftung. Das Vereinbarkeitsproblem und die Frage, wie Beschäftigte dieses in ihrer „alltäglichen Lebensführung“ (Jurczyk & Rerrich, 1993) bewältigen, beschäftigt die Forschung weiterhin (vgl. Weber, 2018). In Bremen konnte, rund um Helga Krüger (Krüger, Born & Kelle, 1989), empirisch gezeigt werden, dass der erlernte Beruf und auch Institutionen insbesondere für die Berufsverläufe von Frauen eine besondere Rolle spielen. [3]
Parallel zur Forschung in Westdeutschland gab es in Ostdeutschland wissenschaftliche Forschung zu Frauen in der Erwerbsarbeit, da Arbeitskräfte in der sozialistischen Planwirtschaft als wichtige Ressource galten und die Berufstätigkeit von Frauen und vor allem von Müttern politisch als Selbstverständlichkeit angesehen wurde (vgl. Nickel, 2011). Allerdings fand aus strukturellen, politischen wie auch inhaltlichen und theoretisch-konzeptionellen Gründen kaum Austausch zwischen ost- und westdeutschen Forscherinnen statt (zu den Gründen vgl. Dölling, 2011; Knapp, 2011; Maurer, 2011). Seit den 1990er Jahren liegt ein Schwerpunkt der wissenschaftlichen Beschäftigung auf dem Zusammenhang von Arbeit und Geschlecht. Wissenschaftlerinnen wie Ursula Müller, Hildegard Maria Nickel, Maria Funder, Brigitte Aulenbacher, Birgit Riegraf, Kerstin Jürgens oder Sylvia M. Wilz führten die geschlechtertheoretisch fundierte Forschung zu Arbeit weiter. Angeregt wurde die Forschung auch durch die englischsprachigen Debatten und Theorieansätze der international an Einfluss gewinnenden feministischen Organisationsforschung (vgl. Müller, Wilz & Riegraf, 2013). Inzwischen handelt es sich um ein sehr weites Forschungsfeld (vgl. Scheele, 2018), das institutionell in der Frauen- und Geschlechterforschung sowie zum Teil auch in der Arbeits- und Industriesoziologie, der Professionssoziologie und der Organisationsforschung verortet ist. [4]
Hintergrund aktueller Analysen bilden die anhaltende Segregation und Geringbewertung von ‚Frauenarbeit‘ (Heintz, Nadai, Fischer & Ummel, 1997; Achatz, Allmendinger & Hinz, 2001), die sich unter anderem im geschlechtsspezifischen Lohngefälle (Gender-Pay-Gap) und dem geringen Frauenanteil in Führungspositionen ausdrücken (Busch, 2013; Achatz, Hermann & Glück, 2005). In Diskussion befinden sich die politischen Möglichkeiten, um Geschlechterungleichheiten in Arbeitsorganisationen abzubauen, wie z. B. Maßnahmen zur Work-Life-Balance und zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Frauenförderung, Gender Mainstreaming oder auch Diversity Management (Gruhlich & Riegraf, 2016; Funder & Sproll, 2012; Meuser & Neusüß, 2004). Angelika Wetterer verweist auf die anhaltende Notwendigkeit politischer Interventionen, da Geschlechtergleichheit zwar rechtlich und kulturell größtenteils realisiert sei, also eine Modernisierung stattgefunden, die soziale Praxis auf Ebene sozialer Strukturen und Institutionen sich jedoch nur wenig verändert habe. Es handle sich demnach um eine „rhetorische Modernisierung“, die es erschwere, dass bestehende Geschlechterungleichheiten überhaupt wahrgenommen und thematisiert werden (Wetterer, 2005, S. 77). [5]
Ein anderes Augenmerk liegt auf dem Wandel der Geschlechterordnung. So gilt es für Frauen zunehmend als selbstverständlich, dass sie erwerbstätig sind und auch in einst männlich dominierte Bereiche, wie z. B. technische Berufe und Führungspositionen, streben – obgleich sie hier auf sogenannte ‚gläserne Wände‘ stoßen (Tonn, 2016; Gruhlich, 2018). Von Männern wird erwartet, sich vom Modell des männlichen Familienernährers zu lösen, um sich an Hausarbeit und Kindererziehung zu beteiligen. Viele Väter wünschen sich eine aktive Beteiligung an der Kindererziehung (Allmendinger & Haarbrücker, 2013) – auch wenn Arbeitsbelastungen, rechtliche Regelungen (wie das Ehegattensplitting), der Gender-Pay-Gap, Organisationskulturen und die traditionelle familiäre Arbeitsteilung diesem Wunsch entgegenstehen (Meuser, 2009) und Zeitverwendungsstudien belegen, dass Frauen nach wie vor den Großteil der Hausarbeit leisten (Statistisches Bundesamt, 2015). Männer, die sich für sogenannte ‚Frauenberufe‘ wie z. B. dem des Erziehers entscheiden, brechen mit herkömmlichem Berufswahlverhalten und lassen alternative Männlichkeitsentwürfe sichtbar werden (Buschmeyer & Lengersdorf, 2017). Ob mit steigendem Anteil von Erziehern und ‚aktiven‘ Vätern weiblich konnotierte Berufe oder Kindererziehung und Hausarbeit aufgewertet werden, ist noch ungeklärt (vgl. Wetterer, 2002). [6]
Weitere aktuelle Auseinandersetzungen betreffen das Verhältnis von Erwerbsarbeit zu anderen Lebensbereichen. Im Zuge von Entgrenzung, Flexibilisierung und Subjektivierung lösen sich die einst starr gedachten Grenzen der Erwerbsarbeit auf (Gottschall & Voß, 2003): Technische Entwicklungen ermöglichen die ständige Erreichbarkeit der Beschäftigten, Arbeitszeiten und -orte werden flexibel, und die Subjekte in den Arbeitsorganisationen erhalten erweiterte berufliche Gestaltungsspielräume für individuelle Interessen. Die Beschäftigten sind im Sinne der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und einer Work-Life-Balance nunmehr selbst dafür verantwortlich, der Arbeit Grenzen zu setzen und müssen dazu ein aktives Grenzmanagement betreiben (Jürgens, 2006; Jurczyk, 2014). Kritisch diskutiert wird die Kommodizifierung vormals wohlfahrtsstaatlich oder privat erbrachter Versorgungsleistungen (z. B. in der Pflege) und deren Auswirkungen auf die dort Arbeitenden (vgl. Senghaas-Knobloch, 2008). Beispielsweise delegieren kleinere Teile der Mittelschicht Tätigkeiten wie z. B. Reinigungsarbeiten, Gartenarbeit, Kindererziehung, Pflege und Betreuung von Alten und Kranken, die gewöhnlich unentgeltlich von Frauen im privaten Haushalt erledigt wurden, an andere Frauen oder Dienstleistungsagenturen (Kreimer, 2014). Dabei zeichnet sich keine Umverteilung der Arbeit zwischen den Geschlechtern, sondern eine neue ethnische und klassenspezifische Aufteilung innerhalb der Gruppe der Frauen ab, die unter dem Stichwort Intersektionalität in der Frauen- und Geschlechterforschung diskutiert wird (vgl. Küppers, 2014). Es sind mehrheitlich migrantische Frauen, die zumeist unter prekären Bedingungen in wenig geachteten und schlecht bezahlten haushaltsnahen Dienstleistungsberufen arbeiten (Lutz, 2007; Apitzsch & Schmidbaur, 2011; Auth, 2013). Die steigenden Versorgungslücken und die schlechten Arbeitsbedingungen im Gesundheits- und Pflegebereich werden von einer Reihe von Wissenschaftlerinnen als Care-Krise bezeichnet (vgl. Rerrich & Thiessen, 2014). Es ist zu erwarten, dass diese Krise der Reproduktionsarbeit nicht nur die aktuellen, sondern auch die zukünftigen Debatten um Arbeit und Geschlecht prägen wird. [7]