Wie Kessler/McKenna (1978) verstehen West/Zimmerman in ihrem Aufsatz „Doing Gender“ (1987) Geschlecht nicht als natürliches oder erworbenes Personenmerkmal, das sich lediglich in Denken, Fühlen und Handeln niederschlägt. Anders als Kessler/McKenna heben sie jedoch weniger die Bedeutung der Wahrnehmung bzw. Attribution hervor, sondern der (inter)aktiven Her- und Darstellung und begreifen Geschlecht als ein Merkmal sozialer Situationen, das in Interaktionen routinisiert und methodisch hervorgebracht wird. Sie übernehmen also gleichfalls die Omnirelevanz-Annahme Garfinkels, interpretieren jedoch dessen Accountability-Konzept konsequent aus Perspektive der sozialen Interaktion, die einen formenden Prozess eigener Art darstellt (vgl. Gildemeister 2004). Um dies analytisch zu erfassen, unterscheiden die Autorinnen (vgl. West/Zimmerman 1987: 131ff.) zwischen der Geburtsklassifikation (Sex), der sozialen Zuordnung/Zuschreibung des Geschlechts (Sex-Category) sowie der intersubjektiven Validierung der Geschlechtskategorie in Interaktionsprozessen (Gender). Geschlecht (Gender) ist ein stetiges ‚Tun‘ von der Geschlechtskategorie (Sex-Category) adäquatem Verhalten: „virtually any activity can be assessed as to its womanly or manly nature [...], to 'do' gender [...] is to engage in behavior at the risk of gender assessment“ (ebd.: 136). [1]
Die Autorinnen kennen kein ‚Jenseits‘ dieser Geschlechtskonstruktion: „Doing Gender is unavoidable“ (ebd.: 137). Abgesichert werden die Prozesse des Doing Gender durch eine Vielzahl institutioneller Arrangements und Wissenssysteme, die durch relativ vage Handlungserwartungen bis konkrete Interaktionsskripte das Komplexität reduzierende Organisationsprinzip ‚Geschlecht‘ im Alltag institutionalisieren und präsent halten (vgl. auch Gildemeister 2004, Gildemeister/Wetterer 1992). [2]
Vor allem das Konzept des Doing Gender von West/Zimmerman ist in jüngster Zeit in die Kritik geraten. Insbesondere Hirschauer hat Fragen aufgeworfen, wie: Wird durch die Annahme der Dauerrelevantsetzung nicht das ethnomethodologische Forschungsprogramm verwässert? (vgl. Hirschauer 2001) Stehen institutionelle Arrangements und Wissenssysteme nicht eher in einer losen Kopplung (vgl. Goffman 2001) zur sozialen Praxis der Geschlechtskonstruktion anstatt in einem deterministischen Verhältnis? (vgl. Hirschauer 1996) Wird nicht auch ein Undoing Gender praktiziert und gibt es nicht je nach Kontext unterschiedliche Grade der Relevantsetzung von Geschlecht? (vgl. Hirschauer, 1994, 2001) Auch West/Zimmerman haben ihr Konzept des Doing Gender zugunsten eines Doing Difference bereits relativiert (1995), indem sie davon ausgehen, dass zumindest andere soziale Kategorien (Rasse, Klasse) anstatt des Geschlechts (primär oder mit Geschlecht) relevant gesetzt werden in Interaktionen. [3]